Zum Interview
Was hat Nachhaltigkeit eigentlich mit Geld zu tun?
Nachhaltigkeit benötigt Geld. So kann man es, glaube ich, ganz gut zusammenfassen.
Was Geld ist, muss nicht erklärt werden. Aber was Nachhaltigkeit ist, das ist nicht so eindeutig. Ganz allgemein geht es darum, die Bedürfnisse der Menschen in der Gegenwart zu befriedigen, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können.
Es gibt verschiedene Aspekte, die da hineinspielen: zum einen globale Herausforderungen wie der Klimawandel und die Ressourcenknappheit. Zum anderen die Ziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, mit denen wir die Umwelt schützen, soziale Ungleichheit reduzieren und nachhaltiges Wachstum erreichen wollen. Nun, wie machen wir das jetzt? Dafür brauchen wir technologische Entwicklungen und Innovationen, vor allem in den Bereichen saubere Energiegewinnung, Mobilität, Entsorgung und Versorgung. Und die sind immer mit hohen Investitionen verbunden. Also wie gesagt, Nachhaltigkeit benötigt Geld.
Und wie erkenne ich, ob eine Geldanlage nachhaltig ist?
Das ist momentan noch schwer. Zurzeit haben wir keine einheitliche Definition, ab wann Unternehmen oder Geschäftsaktivitäten als nachhaltig einzuordnen sind. Und es gibt zwar erste rechtliche Vorgaben, die sagen, was ein nachhaltiges Finanzprodukt ausmacht. Aber die Bewertung hängt stark von dem individuellen Wertesystem ab, wie die Frage der Klassifizierung von Kernenergie als „grün“ deutlich zeigt.
Auch die Europäische Kommission hat festgestellt, dass es Defizite in der Kennzeichnung von nachhaltigen Finanzprodukten gibt. Um das zu ändern, hat sie den Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ auf den Weg gebracht. Dieser Aktionsplan umfasst zum einen Aktivitäten wie die Taxonomie-Verordnung, die ein einheitliches Verständnis von grünen Wirtschaftsaktivitäten schaffen soll. Zum anderen die sogenannte Offenlegungsverordnung. Sie verpflichtet Investor*innen, transparent zu berichten, inwieweit bei bestimmten Finanzprodukten Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden.
Jetzt kann man überlegen, was man noch machen kann. Die EU sagt, dass auch Nachhaltigkeitslabels teilweise helfen können, insbesondere für Kleinanleger*innen Licht ins Dunkle zu bringen.
Gibt es heute schon etablierte Nachhaltigkeitssiegel?
Für bestimmte Finanzprodukte gibt es zum Beispiel das FNG-Siegel, das vom Forum Nachhaltige Geldanlage entwickelt worden ist. Dieses Siegel wird von der „Sustainable Finance Research Group“ der Uni Hamburg wissenschaftlich begleitet und geleitet. Es gilt im deutschsprachigen Raum als Qualitätsstandard für nachhaltige Geldanlagen.
Solche offiziellen Nachhaltigkeitssiegel sind aber noch nicht der Standard. Wie können Anleger*innen dann nachhaltige Geldanlagen von Greenwashing unterscheiden?
Bislang nur schwer. Um Greenwashing bei Geldanlagen zu vermeiden, braucht es vor allem Transparenz, um die Aussagen und Behauptungen überprüfen zu können.
Ich habe vorhin schon den EU-Aktionsplan und die Offenlegungspflichten erwähnt. Da ist momentan sehr viel auf dem Weg. Ein weiterer Punkt im Aktionsplan ist die Stärkung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Große kapitalmarktorientierte Unternehmen in der EU sind bereits gesetzlich verpflichtet, zu Nachhaltigkeitsthemen zu berichten, die für sie relevant sind. Seit dem April 2021 liegt ein Entwurf vor, diese Berichtspflicht zu erweitern. Grundsätzlich versucht die EU, die Transparenz zu erhöhen und Berichtssysteme und -formate zu vereinheitlichen. Nur so lassen sich Ziele, Daten und Unternehmen prüfen und vergleichen – und Greenwashing einschränken.
Heißt das, wenn ein Finanzprodukt als „grün“ angepriesen wird, aber kein Siegel draufsteht, ist es erst mal mit Vorsicht zu genießen?
Das muss nicht unbedingt der Fall sein, aber es bedeutet eine besondere Sorgfaltspflicht für Investor*innen, da sie dann eigenständig die Prüfung der Fonds vornehmen sollten. Kleinanleger*innen, die nachhaltig investieren wollen, empfehle ich, sich an einem Label zu orientieren. Zudem rate ich: Beschäftigen Sie sich ganz genau damit, welche Produkte Sie kaufen möchten. Sie können sich zum Beispiel daran orientieren, ob Nachhaltigkeit in der Geschäftsstrategie des Unternehmens verankert ist und sich das Management damit befasst. Oder danach schauen, ob das Unternehmen entsprechende Ziele und Maßnahmen definiert und auch kontrolliert, ob diese Ziele erreicht werden. Wichtig ist auch, dass Unternehmen transparent darüber berichten, ob die Ziele erreicht beziehungsweise warum sie eben auch nicht erreicht wurden. Das ist natürlich sehr aufwendig, sodass Label für Kleinanleger*innen besonders hilfreich sind.
Eine andere wichtige Frage: Lässt sich denn mit nachhaltigen Geldanlagen auch Geld verdienen?
Da gehen die Meinungen stark auseinander, insbesondere in der Wissenschaft, die sich damit eingehend beschäftigt hat. In Meta-Studien, die Ergebnisse von Tausenden von Studien zusammenfassen, herrscht das überwiegende Bild, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen nachhaltigen Anlagen und realisierten Renditen gibt.
Die unterschiedlichen Definitionen von Nachhaltigkeit erschweren jedoch diese Art der Analyse. Denn wie vorhin schon gesagt: Jeder versteht Nachhaltigkeit anders und auch die Faktoren, die die Nachhaltigkeit eines Unternehmens festlegen, variieren. Also je nachdem, welche Studie welche Daten heranzieht, kommt es zu uneinheitlichen Ergebnissen.
Aber um die Frage kurz zu beantworten: Ja, man kann mit nachhaltigen Geldanlagen Geld verdienen. Und ich denke, dass sie ein entscheidender Schritt in eine nachhaltigere Welt sind und wir nur so die erforderliche Transformation der Wirtschaft finanzieren können.